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Es ist das Jahr 2021, Frühling ja fast Sommer wenn man aus dem Fenster schaut. In der Schweiz wurde eine Volksinitiative für den Verzicht auf synthetische Pestizide in der Landwirtschaft von einer knappen Mehrheit des Volks abgelehnt. Das Stichwort für diesen Beitrag. Er handelt vom Gesundheitswert biologisch angebauter Produkte und der Praktikabilität (was für ein Unwort), wenn man als Konsument*in auf BIO umstellen möchte.
Was ist BIO und warum ist es teurer?
BIO bezeichnet die Art und Weise, wie man eine Pflanze anbaut, heranwachsen lässt und sie weiterverarbeitet. Ob Tomate oder Minze. BIO beginnt schon beim Saatgut, geht über erlaubte Pflanzenschutzmittel, Dünger, Präparate und Substrate bis zu den erlaubten Hilfs- und Zusatzstoffen (also diese E-Nummern) in der Weiterverarbeitung.
In der Tierhaltung definiert BIO, wie das Tier (nicht) gezüchtet werden darf, welches Futter, welche Zusatzstoffe und Medikamente es bekommen darf und wie es gehalten wird. In der Imkerei gilt es auch, diverse Normen zu erfüllen – von der Herkunft der Biene, dem Standort, wo sie fliegen dürfen, dem Bienenvolk über die Bienenköniginnen und den tierärztlichen Behandlungen.
BIO heisst (etwas überspitzt): Keine Gentechnik und keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemittel, keine Massentierhaltung, Wundermedikamente und auch keine Zusatzstoffe in der Weiterverarbeitung – bzw. nur vereinzelte, wo es nicht vermeidbar ist und unter strenger Kontrolle. Ansonsten gibt’s kein Zertifikat oder ein bestehendes wird entzogen. Eine BIO-Produktion ist erwiesenermassen besser für die Tiere, die Pflanzen, den Boden, das Grundwasser und erzeugt weniger Treibhausgase.
Das ist zweifellos erstrebenswert – nur ist die Natur unberechenbar. Sie lässt Krummes, Löchriges, Fleckiges, zu Kleines und zu Grosses wachsen, sie lässt auch verdorren und sterben. Das Fleisch wird vielleicht etwas magerer und Milchprodukte(-Vielfalt) weniger. Für die Landwirte bedeutet das: viel mehr Pflegearbeit (Unkraut, Schädlinge, teureres Tierfutter, intensivere Pflege von Tieren etc.) und weniger Ertrag. Stell dir vor, du schreibst eine Arbeit und dein Compi stürzt ab. 150 Seiten weg, der Abgabetermin in einer Stunde. Oder du erwartest Gäste, putzt den Boden, und die Kinder kommen mit dreckigen Schuhen reingerannt. In der Landwirtschaft ist es ungefähr so, nur dauert es dann ein Weilchen, wenn nicht gleich ein Jährchen, bis wieder geerntet werden kann. Dann wird noch streng kontrolliert, zertifiziert, verlabelt, vermarktet, geforscht – das kostet auch. Darum ist BIO teurer.
Warum soll ich BIO kaufen?
Wegen den fehlenden ungünstigen Hilfs- und Zusatzstoffe in den verarbeiteten Lebensmitteln. Das kann positiv aber auch negativ sein. Mein Verstand sagt BIO, aber mein Rezept und mein Portemonnaie schreien konventionell.
Wegen den stärker ausgeprägten sekundären Pflanzenstoffen in Gemüse, Früchten und im Getreide. Sie geben ihnen Farbe, Aroma und Geschmack, heissen Carotinoide, Glucosinolate, Flavonoide, Sulfide, etc. und haben aktuell den Ruf, wichtiger für das Wohlbefinden zu sein als angenommen. Während z.B. Vitamine und Mineralstoffe im konventionell angebauten Gemüse gleichgut vertreten und wirksam sind wie im biologischen, sind gewisse sekundäre Pflanzenstoffe aus biologischem Anbau viel wirkungsvoller. Es wird also tüchtig geforscht – nur braucht Forschung Zeit und Geld.
BIO würde ich auch kaufen wegen den fehlenden Rückständen aus synthetischen Pflanzenschutzmitteln, die ins Grundwasser sickern können und dort scheinbar lange bleiben. Schön wäre es, wenn meine Kinder auch noch trinkbares Leitungswasser haben. Wasserschleppen ist echt uncool, auch wenn es in vielen Ländern schon jetzt normal ist.
Was würde ich dafür in Kauf nehmen? Sicher unförmiges Gemüse und ebensolche Früchte, problemlos. Natürlich würde ich den schönsten Apfel für meinen Gemahl kaufen, aber hoffen, dass die abartigsten Versionen von Rüebli, Kartoffeln und Tomaten weniger kosten. Gerüstet und kleingeschnitten ist’s eh egal. Abgesehen davon, könnten kleinere Menschen endlich auch kleinere Portionen kaufen und grössere auch grosse Stücke. Vermutlich würde ich auch etwas öfters und dafür weniger Frischprodukte kaufen, weil das Gemüse und die Früchte (je nach Sorte) nicht so lange haltbar wären. Fleisch und Fisch gäbe es wohl noch weniger. Nur der Preis könnte mir einen Strich durch die Rechnung machen.
BIO ist nicht gleich BIO
BIO und Organic bedeuten dasselbe. „Organic“ wird vor allem im englischsprachigen Raum (USA, UK, AUS, etc.) verwendet. Die BIO-Standards sind allerdings nicht überall gleich. Es gibt staatliche BIO-Verordnungen und privatrechtliche Normen. Die letzteren sind etwas strenger und umfassender, regeln z.B. auch Arbeitsbedingungen. Unter den privatrechtlichen gibt es Labels für Tier- und Fischzucht, Wein, Saatgut, pflanzliche Produkte, Firmeneigene und mehr. Wer mehr darüber wissen will, klickt auf diesen Link vom FiBL.
Wer mehr über die vielen anderen BIO-Labels erfahren möchte, klickt auf Labelinfo.ch. Übrigens: „Natürlich“ muss nichts mit BIO zu tun haben. „Natürlich“ bei einem Aroma bedeutet, dass z.B. echte Früchte zur Aromaherstellung verwendet wurden und dieses nicht synthetisch in einem Labor erzeugt wurde.
Wie stelle ich auf BIO um?
Wer jetzt auf den BIO-Geschmack gekommen ist, könnte langsam beobachten und z.B. umstellen auf…
BIO Halb- und Fertigprodukte: Z.B. alles was regelmässig konsumiert wird. Da spart man an nicht deklarierten Hilfs- und deklariereten ungünstigen Zusatzstoffen, und kann davon ausgehen, dass fast alle Zutaten auch BIO sind.
BIO Gemüse/Früchte: Alles was nicht geschält werden muss. Wer einen grossen Tiefkühler hat, greift zu den (ungewürzten) tiefgefrorenen Packungen und spart dabei den einen oder anderen Franken.
BIO Getreide: Kaufst du viele Vollkornprodukte, dann kauf BIO. Im Gegensatz zu Auszugsmehlen (Weissmehl), ist im Vollkornmehl auch die Schale des Korns enthalten, die leider auch Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthalten könnte (muss aber überhaupt nicht sein!)
BIO Hülsen- und Schalenfrüchte: Das „Gift“ würde in der Hülse stecken (wenn überhaupt), die wird nicht gegessen. Hier bin ich definitiv knausrig mit BIO – das sagt mir mein Portemonnaie.
BIO Zitrusfrüchte: Die Schale wird nicht gegessen. Waschen, schneiden und gut ist’s. Brauchst du aber die Schale für den Kuchen oder die Verzierung deines Drinks, nimm lieber BIO. Ausser du nimmst mögliche Pestizid-Rückstände, Konservierungsstoffe oder Wachse in Kauf, welche die Früchte vor Schimmel und Verderben schützen.
BIO Milchprodukte: Ja und Nein. BIO Milch sicher, wenn du täglich Milch trinkst. BIO Rahm kommt im Gegensatz zum konventionellem, ohne Zusatzstoffe aus. Allerdings musst du ihn rasch aufbrauchen, ansonsten hat sich schnell Butter angesetzt. Wenn du Cheddar magst – in Tex-Mex Gerichten oft empfohlen – wirst du eher kaum eine BIO-Variante finden, weil in diesem Käse der Zusatzstoff Annato enthalten ist. England hat dafür spezielle Zulassungen, wenn ansonsten BIO-Milch und pflanzliches Lab verwendet werden. Gouda und Edamer sind ebenfalls kaum in BIO zu finden, allerdings wegen anderen Zusatzstoffen.
BIO Fleisch & Fisch: Wer viel Fleisch und Fleischerzeugnisse isst und es sich leisten kann – kauft unbedingt BIO. Mehr Tierwohl, weniger Klimaschaden und weniger Hilfs- und Zusatzstoffe in der Weiterverarbeitung. Bei Fisch würde ich auf ASC-Label oder BIO Knospe achten (weniger Antibiotika in der Fischzucht).
BIO Tee & Kaffee: Mein Portemonnaie sagt wieder – nö BIO bzw. nur BIO wenn täglich viel getrunken wird.
Wasser und Salz z.B. sind nie BIO, weil sie nicht von Menschenhand gepflanzt werden. Nur wenn biologisch angebaute Kräuter beigemischt werden, könnten diese Produkte BIO zertifiziert sein. Muss ich nicht haben.
Fazit
Grundsätzlich sind alle Lebensmittel aus dem konventionellen Anbau sicher, nicht explizit schlechter und definitiv günstiger (so überall zu lesen und zu hören!)!
Rückstände von erlaubten Pflanzenschutzmitteln und Kontaminationen können auch BIO-Lebensmittel betreffen.
Kaufst du vorgefertigte BIO-Lebensmittel, konsumierst du automatisch weniger ungünstige Zusatzstoffe, auch wenn du dich einseitig ernährst – das ist ein Vorteil. Allerdings: Eine Fertigpizza oder ein Hamburger bleiben immer noch eine deftige Angelegenheit – ob BIO oder nicht.
Deine selbst zubereiteten BIO Gerichte könnten schmackhafter sein – aber auch nur, wenn du kochen kannst.
BIO ist etwas für unser morgiges Klima, unser Wasser und unsere Nachkommen.
Wer nicht auf Rosen gebettet ist – ob finanziell oder zeitlich – empfindet BIO bestimmt als nicht praktikabel. Wer es trotzdem ab und zu kauft, leistet einen kleinen Beitrag in Richtung „selbstverständlich BIO“. Dann vielleicht, treffen sich konventionell und BIO irgendwo in der Mitte von Preis und Leistung und eine neue verantwortungsvolle Selbstverständlichkeit entsteht. Am liebsten weltweit.
Links & Quellen
Verordnung des WBF über die biologische Landwirtschaft
Internationale Anerkennungen: Link vom BLW: Biolandbau
Erlaubte Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfen in BIO Knospe
Forschungsinstitut für biologischen Landbau
Biowissen –Fakten und Hintergründe zur biologischen Landwirtschaft und Verarbeitung vom FiBL
Deutsche Gesellschaft für Ernährung über sekundäre Pflanzenstoffe
Verbraucherzentrale über sekundäre Pflanzenstoffe
Verbraucherzentrale über synthetische Vitamine
Ist BIO immer besser, Beitrag von Quarks