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Neulich geriet ich (wieder mal) in ein Gespräch über uns grausame Menschen. Insbesondere wenn es um Nahrungsmittel geht. Wie in anderen Gesprächen auch, kamen die Filme Cowspiracy und inzwischen auch Seaspiracy auf den Tisch, welche uns lernten – in einfachen Worten ausgedrückt: Wir sind Söihünd, leben im Überfluss, wollen alles möglichst billig, immer verfügbar und machen deswegen indirekt unsere Erde kaputt. Wenn wir aber auf Fisch und Fleisch verzichten, dann werden wir die Tiere und dann unseren Planeten retten. Oder zumindest den aktuellen, präkeren Zustand behalten. Die Filme zeigen auf, welche Gräueltaten vollbracht werden, damit wir unser Stück Fleisch/Fisch auf dem Teller geniessen können (oder eben nicht mehr) und damit den Untergang unserer Erde herbeiführen.
In diesem Beitrag geht es um den Konsum tierischer Produkte und vegane Ersatzprodukte. Leser:innen die kein Stück Fleisch, nix von Tieren je im Leben essen würden und es auch nicht getan haben, schon lange bevor es diese Filme gab, sollen sich von sämtlichen allfälligen Untertönen nicht angesprochen fühlen.
Über politisch korrekte Konsumenten und Konsumentinnen
Zwei Filme also die wachrüttelten. Auch wenn sie nicht über alle Zweifel erhaben sind. Einige Konsument:innen sind inzwischen irritiert und empfinden ein schlechtes Gewissen, eine gewisse Scham bei jedem Bissen Lebensmittel tierischer Herkunft. Darüber reden, endet nicht selten in peinlichen Rechtfertigungen. Hat man gestern noch frischfröhlich eine Zitrone über das panierte Schnitzeli getröpfelt, sucht man heute nach veganen Alternativen. Diese sind nun auch vorfabriziert oder „zum Selbermixen“ verfügbar. Vieles davon ist schön perfekt in Plastik verpackt und mit viel grün-bunter Kartonbanderole dekoriert, auf der dir erklärt wird, dass du jetzt veganes Wasser und Erbsenproteinpulver isst. Voll der saftige Plätzligeschmack, nur klima-&tierfreundlicher. Du wirst mit dem Einkauf dieses Produkts auf den Olymp der perfekten Konsumenten und Konsumentinnen gehievt.
„Wir kaufen nicht, was wir haben wollen. Wir konsumieren, was wir sein möchten.“ – John Hegarty
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Manche Kenner:innen dieser Filme sitzen gefühlt auf dem Olymp (um in Athen zu bleiben) und schauen herab auf das gemeine Volk von Fleischfresser:innen. Einige reichen zumindest die Hand zum Aufstieg. Sie vergessen gerne, dass niemand als Klimasünder:in oder indirekt als Tierquäler:in entlarvt werden will und möglicherweise das Blaue vom Himmel lügen wird um das Gespräch schnell zu beenden. Denn genau das ist es, was uns solche Filme, aber auch Werbebotschaften des veganen Lifestyles, suggerieren. Wir sind böse, wenn wir insbesondere billige tierische Produkte kaufen. Infos die zusehends die Gesellschaft spalten. Vielleicht auch Familien. Ganz sicher aber Unsicherheit und Ängste schüren.
Die veganen Imitate tierischer Lebensmittel
Erinnert sich jemand noch an den Aufschrei beim Thema Separatorenfleisch und Analogkäse? Nur so nebenbei. Gefühlt niemand wollte das Zeugs bewusst essen. Wieviel frischer Schinken und Käse konnte wohl eingespart werden seither…. ach, papperlapapp.
Weniger papperlapapp ist, dass alle diese industriell hergestellten, abgepackten, veganen Lebensmittel in den Regalen der Detailhändler zu den sehr stark verarbeiteten Lebensmitteln zählen. Darin sind wahlweise die bekannten Übeltäter wie Geschmacksverstärker, Aromen, Emulgatoren, Verdickungs- und Geliermittel, Füllstoffe und co. enthalten. Diese Dinger mit Nümmerli oder unaussprechlichen Zutaten, die manch eine:r ohnehin schon tendenziell zu häufig, weil mehrheitlich unbewusst, konsumiert. Nicht dass sie generell schlecht wären, aber das Angebot an Fertigprodukten mit Zusatzstoffen ist bereits riesig und die Versuchung gross. Man zählt diese Zusatzstoffe nicht, weil man auch nicht weiss, wieviel mengenmässig drinsteckt. Aber es kann sehr schnell gehen und schwupps hat man den ADI-Wert überschritten.
Hersteller und Händler solcher Lebensmittelimitate werben vor allem um Menschen, die eigentlich tierische Produkte essen. Und sie werben gut, sonst hätte es nicht so ein grosses Angebot. Die Vertreter:innen dieser Kundengruppe essen alles, sind neugierig und lieben die Abwechslung. Ein bisschen Vegan-Shopping und damit einen Beitrag zum Klima- und Tierschutz leisten, ist doch voll gut! Wenn’s schmeckt, Geschmacksverstärker sei Dank, ist allen gedient.
Tierschutz vs. Klimaschutz
Irgendwie waren sie doch etwas traumatisierend diese Filme. Hier einige Gedanken zu den zwei Schlagwörtern, die mehr oder weniger oft darin vorkommen. Ich hoffe, ich verstöre niemanden damit. Und wenn doch, bitte gleich schreiben!
Tierschutz: Ich schätze mal, dass niemand mehr Massentierhaltung will. Es stellt sich aber die Frage; wenn sich jetzt immer mehr Menschen immer mehr leisten können, wer kriegt dann das Filet, welches wegen artgerechter Haltung der Tiere halt rar geworden ist – und bald in Gold bezahlt wird? Echten Veganern ist es Vurscht, aber was ist mit all den anderen, die zwischendurch mal echtes Fleisch und Käse essen möchten? Oder ist das, das beste Beispiel für die „die unsichtbare Hand des Marktes“?
Welchen Fisch kaufe ich jetzt? Den guten aus dem Wildfang, wegen welchem Plastikteppiche in den Weltmeeren treiben sollen und andere Meerestiere sterben? Oder den anderen, auch guten, aus den antibiotikaverseuchten Aquakulturen? Trotz der superfeinen Label.
Klimaschutz: Auch hier, wenn viel mehr Menschen viel länger leben und sich viel mehr leisten können, wird es etwas eng für alle. Essgewohnheiten kann man einfacher und schneller beeinflussen als die Heizenergie, die Industrie und den Reiseverkehr. Diese verursachen aber deutlich mehr Treibhausgase als die Aufzucht von Tieren.
Kaufen die gut aufgeklärten Menschen, die sonst BIO-Fleisch kaufen würden, jetzt vermehrt vegane Imitate tierischer Produkte, weil diese klimafreundlicher sind? Kompensieren sie damit die erneute Ferienreise nach Übersee?
Werbung ist die Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen. Kommunikation ist die Kunst, auf das Herz zu zielen, um den Kopf zu treffen. – Vance Packard
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Bei so vielen Überlegungen, blendete ich einfach aus, dass es beim Essen um die Aufnahme von Nährstoffen geht. Um Energie und Baustoffe die man benötigt um am Leben zu bleiben. Insbesondere Proteine, die, so lernte man mich, tierischer Herkunft, am besten vom menschlichen Körper verwertet werden. Dies, weil diese Proteine einander am meisten gleichen. Das heisst nicht, dass die rein pflanzlichen Proteine das nicht auch können, aber sicher nicht so einfach. Nicht in dieser Menge, mit demselben Effekt.
Fazit
Cowspracy-, Seaspiracy und ähnliche FIlme, Dokus, TEDTalks, Werbeplakate, Flyer, Reportagen und Podcasts haben einem neuen Markt zur Blüte verholfen. Solange die Regierung(ein) bzw. die nationalen Gesellschaften für Ernährung die Empfehlung „Drei mal die Woche Fleisch und einmal Fisch essen“ für legitim erachten, gibt es keinen Grund für mich, veganes Industriefood zu kaufen. Ich gehe auch davon aus, dass ich mich mit dieser Empfehlung nicht im Bereich der Cow- und Seaspiracy-Problematik bewege.
Vegan geht aber auch ohne industriell hergestelltes „Vleisch, Visch und Vedervieh“. Natürlich vegan essen geht ganz gut und schmeckt – vorausgesetzt man verträgt Fructose, leidet nicht unter einer Lupinen oder Soja-Allergie oder Glutensensitivität. Alle Länder dieser Welt haben schon immer rein pflanzliche Alltagsgerichte serviert – ganz ohne V-Label. Trotzdem sind die biologische Wertigkeit und Aminosäurenprofile nicht ausser Acht zu lassen und eine Beratung beim Profi empfehlenswert, wenn man umstellen will. Es braucht schon etwas Anleitung, eine Umgewöhnung des Verdauenstrakts, der Geschmacksknospen und doch einige Rezepte.
Lasst uns doch einfach in Frieden essen. Vorurteilsfrei. Bitte nicht blenden lassen von der Werbemaschinerie, denn auch diese zwei Filme sind nicht über alle Zweifel erhaben. Alles hat seine Vor- und Nachteile.
Links
Formfleisch: Interessante Infos für Menschen mit Zöliakie
Unterschiede Separatoren– und Formfleischerzeugnisse, sowie Fleischerzeugnisse
Etwas Futter für Fans von Fussabdrücken und Statistiken (WWF).
Für Menschen die Geld in veganen Lifestyle investieren wollen (ecoreporter).
Rezepte: Bosnischer Bohneneintopf. Per Zufall vegan (sevencooks).
Folge: @biancazapatka (dein Gericht wird zwar nicht so aussehen, aber sie hat die besten Ideen!), @velvetandvinegar, @vegan.proteinreich