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Low Carb, No Carb, bad Carbs, Atkins, Dukan, Keto, Paleo, PPP-Verzicht (Pane, Pasta, Pizza)… Kohlenhydrate… diese bösen, bösen Dickmacher! Interessenvertreter und Influencer haben super Werbung gemacht für diese Diäten und damit buchstäblich für so ein grosses Echo gesorgt, dass viele Normalos in Brot und Pasta nur die Kohlenhydrate sahen. Einige Interessenvertreter schafften es sogar Kohlenhydrate mit Krebs und Diabetes in Verbindung zu bringen. Das stimmt aber alles nicht so ganz. Kohlenhydrate sind lebenswichtig! Nur isst man leider, meist unbewusst, ein bisschen zu viel davon.
Ob du auch dazu gehörst, erfährst du, wenn du den Beitrag liest. Damit du hoffentlich wieder entspannt und mit Freude Pasta und Brot isst, kommt zuerst eine Ladung Theorie. Die bringt dich zwar nicht auf „Level Expert“, aber du wirst danach etwas bewusster im Umgang mit Ernährungsinfos.
In welchen Nahrungsmitteln stecken Kohlenhydrate?
In den meisten Lebensmitteln stecken unter anderem auch Kohlenhydrate, und hinter Kohlenhydraten verstecken sich viele weitere Wörtli, die scheinbar nix mit Kohlenhydraten gemeinsam haben.
Die Muttermilch beispielsweise enthält das Kohlenhydrat Galaktose. Der Traubenzucker ist pure, aus stärkehaltigen Lebensmitteln extrahierte Glucose, auch als Dextrose bekannt. In Früchten und Honig stecken Glucose und Fructose, die Milch enthält Laktose und in den Kartoffeln sind gleich mehrere Zuckerarten vertreten. Amylopektin und die Amylose in Form von Stärke – was wiederum Glucosebestandteile sind. Steht an erster Stelle der Zutatenliste einer Lebensmittelverpackung Zucker und dann Glucose, Fructose, Stärke oder irgendeine andere -ose, wurden diesem Lebensmittel nebst Zucker eben noch die anderen Zuckerarten zugesetzt. Das ist nur die Spitze des Eisbergs an Namen für Kohlenhydrate.
Gemüse, Früchte und auch Milch enthalten also auch Kohlenhydrate in Form von Fruchtzucker oder eben Milchzucker. In Getreide, Kartoffeln und Hülsenfrüchten sind Kohlenhydrate um ein Vielfaches mehr enthalten allerdings in einer komplexen Form, so wie bei der Kartoffel erwähnt. Darum heissen sie komplexe Kohlenhydrate, Polysaccharide und auf Deutsch Vielfachzucker. Wenn ich schon Poly erwähnt habe; in Milch, Gemüse und in Früchten dominieren die Disaccharide. Disaccharide sind Zweifachzucker, was bedeutet, dass sie sich aus zwei verschiedenen Zuckerbausteinen, zwei sogenannten Monosacchariden, zusammensetzen. Im Fall der Milch aus Glucose und Galactose. Im Fall von Früchten, aus Glukose und Fructose. Fast so wie Legosteine. Und jeder dieser Bausteine ist in unterschiedlichen Mengen im Lebensmittel enthalten und wird von Körper etwas anders verwertet.
Das Fleisch gilt zwar als frei von Kohlenhydraten, enthält aber in bescheidenen Mengen Glykogen. Das gilt nicht für Fische.
Glykogen ist sowas wie ein Tank voller Kohlenhydrate in Tieren und auch uns Menschen. Es lagert in unseren Muskeln und in der Leber als Energiereserve. Man nennt es auch das Speicherkohlenhydrat. Wenn du mal über eine längere Zeit keine Kohlenhydrate bekommst, geht der Tank auf und der Körper holt sich die benötigte Menge an Brennstoff. Das ist der Sicherheitsanker der Low Carb-Vertreter*innen.
In allen diesen genannten Lebensmitteln stecken aber auch mehr oder weniger Proteine, Fett, Ballaststoffe, Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente. Wenn du also auf Kohlenhydrate verzichtest, nimmst du automatisch auch weniger von den anderen sehr wichtigen Nährstoffen auf. Nur beim Zucker ist es anders. Das sind pure Kohlenhydrate aka Saccharide aka Zweifachzucker aka Disaccharide drin, bestehend aus Glucose und Fructose. 100g Zucker enthält fast 100g Kohlenhydrate, was man mit 4.1 rechnet und damit rund 405 Kalorien an Energie.
Einzig das Wasser ist energiefrei, enthält also auch keine Kohlenhydrate.
Was macht unser Körper mit den Kohlenhydraten?
Unser Körper braucht Kohlenhydrate als Brennstoff, denn auch er braucht Energie, um zu funktionieren. Stell dir Benzin oder Strom vor; einmal geladen, läuft alles wie geschmiert. Ansonsten geht nix. Kohlenhydrate haben eine sehr ähnliche Wirkung, nur ist unser Körper sehr viel komplexer als ein Tank.
Wir nehmen das so auf: Wir kauen z.B. unser Brot, zerkleinern die Masse, damit sie durch die Speiseröhre in den Magen rutschen kann. Ohne Speichel geht das aber nicht. Enzyme, das sind sowas wie Rowdy-Heinzelmännchen (deren Namen enden immer auf –ase) aus dem Speichel und das Kauen machen das Brot zum Brei. Diese Enzyme verwandeln dabei die Brotrinde und die Krume im Mund in Zuckerarten. Sie spalten den Zucker. Das nennt sich auch Stoffwechsel. Bleiben diese Zuckerarten zu lange am Zahnschmelz kleben, werden die Heinzelmännchen richtig sauer, und so entsteht Karies. Bei Brot, Kartoffeln und Getreide besteht zwar keine grosse Gefahr aber verdrückst du viele Früchte oder Süssigkeiten pro Tag, ist gute Zahnhygiene ratsam.
Ist der Speisebrei im Magen angekommen, wüten diese ase-Rowdies weiter, in den ersten Darmpassagen kommen andere hinzu. Sie alle zerschlagen die verschiedenen Kohlenhydrate-Bausteine in einzelne Bausteine, bis am Ende bloss die Monosaccharide, also Glucose, Fructose und/oder Galactose übrigbleiben. Die schaffen so zerkleinert dann den Weg in die Blutbahn und gelangen von dort aus in die Leber, die Muskeln, ins Gehirn und Überschüsse in die Fettzellen.
Diese komplexen Kohlenhydrate, Vielfachzucker oder Polysaccharide stecken also in Getreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchten. Die brauchen wir zusammen mit Eiweiss, um unsere Skelettfunktionen zu erhalten. Wir brauchen sie für Schleimstoffe, um die Gelenke zu schmieren oder Muskeln aufzubauen, Energie zu speichern für Ausdauer-Wettkämpfe oder um den Blutzucker zu regulieren. Verwechsle hier nicht Blutzucker mit Blutdruck. Ist dein Blutdruck zu tief, bist du mit Salz besser bedient.
Fast hätte ich es vergessen. Kohlenhydrate aus Einfachzucker oder Monosacchariden wie eben Glucose, Galactose oder Fructose wandern am schnellsten in die Blutbahn. Dabei gilt Glucose als einziger Nährstoff für unsere Gehirnzellen, für die Bildung roter Blutkörperchen und das Nierenmark. Die Glucose ist also höchst effizient, darum lohnt es sich, immer „es Trubezückerli“ auf Lager zu haben. Glucose kann aber unser Körper, wie oben bei Glykogen beschrieben, auch selber herstellen – sofern wir Reserven haben.
Du musst also keine Süssigkeiten mit Süssgetränken runterspülen, nur um die Gehirnzellen zu aktivieren. Allerdings muss ich gestehen, dass Süssigkeiten zusammen mit koffeinhaltigen Getränken Wunder wirken, wenn Gehirnleistung gefordert wird.
Wie viele Kohlenhydrate brauche ich pro Tag?
Kohlenhydrate sind, wie auch der Nährstoff Fett, Brennstoffe für unseren Körper. So wie das Benzin fürs Auto. Je nach Ernährungsphilosophie sollten wir 30% – 60% der täglichen Gesamtenergiezufuhr mit Kohlenhydraten decken. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung geht von einem Tagesbedarf von 5g pro kg Körpergewicht aus für eine gesunde erwachsene Person, abhängig von Aktivität, Alter und Geschlecht – mindestens aber 1.4g pro kg Körpergewicht. Studien besagen, dass nur das Gehirn so viel benötigt, (andere Studien reden sogar von mehr, da eben nur die Glucose entscheidend ist). Eine 70kg Person braucht also für die Gehirnfunktion mindestens 100g Kohlenhydrate. 100g Brot liefert rund 50g Kohlenhydrate. Eine Banane ca. 20g, eine Tomate knapp 4g, eine ganze Pizza rund 85g.
Bis zu 450g überschüssige Kohlenhydrate kann der Körper in Leber und Muskeln als Glykogen speichern. Der Rest wird in Fett umgewandelt. Bei zuckerkranken Menschen schwirrt das Übermass an Glucose in der Blutbahn herum und kommt nie wirklich zu den oben genannten Organen. Was echt gefährlich werden könnte. Diabetes mellitus bekommt man übrigens nicht von übermässigem Konsum von Süssigkeiten, aber übermässiger Konsum an Kohlenhydraten kann diese Krankheit begünstigen. Wer dann die Diagnose bekommt, muss jedenfalls die Kohlenhydrate verstehen, in den Griff kriegen und regelmässig den Zucker im Blut kontrollieren.
Fazit
Kohlenhydrate sind lebenswichtige Nährstoffe. Sie haben viele Namen und verschiedene Funktionen. Die mengenmässig reichsten Träger dieses Brennstoffs kommen meist mit Fett und Protein daher und äusserst selten allein.
Kohlenhydrate sind in fast allen Lebensmitteln vertreten, allerdings in extrem unterschiedlichen Mengen, und können, unter gewissen Umständen, tatsächlich Krankheiten begünstigen. Oder eben „mildern“. Aber bei Fett, Protein und gewissen Vitaminen ist es dasselbe. Mach dich nicht verrückt deswegen.
Isst du gerne Süssigkeiten und vorgefertigte Gerichte, lerne die Zutatenlisten und Nährwertangaben auf den Lebensmittelverpackungen zu lesen. Du musst nicht Kalorien zählen, aber „es Gspüri“ für Nährwerte zu bekommen ist nicht verkehrt. Wir leben in Zeiten von Überangebot und verlieren vor lauter verarbeiteten Produkten, gut gemeinten Ratschlägen, Werbung, Diätwahn und Fett-Phobie langsam den roten Faden.
Last but not least: Diplomierte Ernährungsberater*innen helfen dir viel besser weiter als Beiträge wie diese. Noch besser als Ratschläge aus dem Netz, von Bekannten und Freunden.
Kohlenhydrate machen, bei bewusstem Konsum, glücklicher als alle Diäten der Welt. Liebe dein Brot, deine Pasta, deinen Reis und Mais! Lass es dir von niemandem nehmen!
… herzlichen Glückwunsch und Dank, wenn du alles gelesen hast. Bei Fragen zum Beitrag, schreibe mir auf info@nutridate.ch.
Ja, das ist viel zu lesen. Man kennt das alles schon. Aber immer wichtig sich das hin und wieder ins Gedächtnis zu holen. Dankr für den Artikel. Hartmut
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Gerne. Danke dir Hartmut für das Feedback. Jetzt kommen noch zwei-drei happige Beiträge in diesem Stil, aber danach sollten sie praktischer werden.
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