Bild: Suzy Hazelwood, pexels
Wer zum Geier ist diese durchschnittliche erwachsene Person, die 2000 kcal täglich zu sich nimmt? Was sollen die 2000 kcal bedeuten? Vier Tafeln Schokolade liefern ja auch rund 2000 Kalorien!? Wenn du mal über diese Infos gestolpert bist, dir diese Frage(n) gestellt hast, dann lies hier weiter. Auch wenn nicht, du erfährst in diesem Beitrag, warum es sich lohnt, einen Blick auf die Nährwertangaben zu werfen.
Keine Angst, du wist mit diesem Beitrag kein/keine Ernährungsberater*in. Allerdings muss ich so weit ausholen, dass du fast eine*r werden möchtest.
Über die Kennzeichnung von Lebensmitteln
Menschen, vor dem Zeitalter des Kalorienzählens, haben das gegessen, was ihnen die Erde und die Tiere hergaben. Als die Lebensmittelläden aufmachten, assen sie das, was sie sich leisten konnten. Der Mensch, wenn er es sich leisten kann, neigt dazu, mehr von dem zu essen, was ihm gefällt. Die Betriebe liefern, was von ihnen gewünscht wird und verdienen damit ihr Geld. Weil die Erde und die Tiere da nicht immer mithalten können, haben Hersteller*innen und Händler*innen getrickst, Raubbau betrieben, sich und die Käufer*innen betrogen und belogen und um dem ein Ende zu setzen, entstanden so irgendwann mal die Deklarationspflichten. Die Zunahme an verarbeiteten Lebensmitteln verwirrte die Kundschaft und beschleunigte wohl alles. Dazwischen gab’s auch die Lulu Hunt Peters. Sie hat um 1920 die Kalorien populär gemacht. Sie schrieb Zeitungsartikel darüber und brachte ein Buch heraus, „Diet and Health with Key to the Calories“, in welchem den Leser*innen Ratschläge serviert wurden wie „100 Kalorien aus Brot und 345 aus Kuchen“ (aus der Wiki-Bio von Lulu). Ja so war das damals…
Produktname, Herkunft, Gewicht, Zutaten, Food-Facts/Nährwerte und noch einiges mehr – all das muss in der Schweiz und der EU zwingend auf fast allen Lebensmittelverpackungen angegeben werden. Auch wenn sie über Online-Shops vertrieben werden. Bäckereien und lokale Marktstandanbieter mit einer kleinen Lebensmittel-Produktion, sind von dieser Verpflichtung ausgenommen. Du kannst also aufatmen. Du wirst deine Konfigläser am nächsten Schulfest oder Quartiermärit nicht mit Food-Facts bekleben müssen.
All diese Infos helfen dir, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen und schützen dich vor Lug und Trug. Aber zurück zur 2000 Kcal Person. Die, die dir möglicherweise das Gefühl gibt, alles falsch zu machen. Damit du sie verstehst, noch ein klitzekleiner Exkurs.
Über Nährwertangaben/Food-Facts
Die FoodFacts/Nährwertangaben verraten dir die Menge an Energie in Kilojoule und Kalorien, die du pro 100g/100ml zu dir nimmst. Der Einfachheit halber, bleibe ich hier bei den Kalorien aka Kilokalorie aka kcal. Im Gegensatz zu Meter, Liter, Temperatur oder Zeit, gibt es dafür kaum ein handliches Messgerät, welches man aus der Schublade ziehen, in einen Kuchen stecken und das Resultat ablesen kann. So sind diese Kalorien für viele Menschen wilde, zusammenhanglose Zahlen, die kaum Beachtung bekommen.
Mit einer Kalorie (=Calor=Wärme) wird ausgedrückt, wieviel Energie verwendet werden muss, um 1 Gramm Wasser um ein Grad mehr Celsius zu erwärmen. Du kannst es dir überspitzt so vorstellen: Dein Körper muss aufgewärmt werden, damit das Blut fliesst und alle Organe am Leben bleiben. Diese Wärme wird durch einen Motor erzeugt. Dieser Motor besteht insbesondere aus Kohlenhydraten, Fett und Proteinen, die aus unserem Essen stammen. Essen wir nix, braucht unser Körper zuerst alle Reserven auf, dann schrumpfen und versagen langsam unsere Organe, unser Herz hört auf zu schlagen und wir sterben. An dieser Stelle: Das ist kein wissenschaftlicher Artikel.
Wieviel Energie uns ein Nahrungsmittel liefert ist bekannt, gilt als guter Richtwert und wird eben auf der Verpackung angegeben. Kaufst du unverpackt und kochst alles von Grund auf selbst, wirst du online fündig, kannst Apps zur Hilfe nehmen oder auch Waagen mit integriereten Angaben über Energiewerte pro Lebensmittel kaufen. Richtwerte. Es ist nichts in Stein gemeisselt, aber relativ präzis.
Auf fast jeder Lebensmittelverpackung kannst du also nachlesen, wieviel Energie du dir zuführst, welche Mengen an Fett, Kohlenhydraten, Proteinen, Ballaststoffen, manchmal auch die Menge an zugesetzten Vitaminen und Mineralstoffen du da so runterschluckst. Praktisch, nicht wahr? Es sind vorallem die grossen, bekannten Nahrungsmittelhersteller, die uns zusätzlich zu den Nährwertangaben auch die sogenannten (2000kcal) Referenzwerte bekanntgeben. Sie lassen dich wissen, was sie als eine Portion definieren und manchmal auch, wieviel Prozent des täglichen Bedarfs diese deckt. Und da wären wir. Dieser Wert ist immer mit einem Sternchen versehen, welches in noch kleineren Lettern unter der Tabelle erklärt, dass dieser Referenzwert auf einer 2000 kcal/Tages-Energiezufuhr für gesunde Erwachsene basiert.
Ich könnte jetzt Geschichten über meine vielen persönlichen Missinterpretationen schreiben, aber soviel Zeit will ich dir nicht rauben.
Darum endlich zur 2000 Kalorien Referenz-Person
Die 2000-Kalorien-Person isst nicht vier Tafeln Schokolade pro Tag. Nein. Die Referenz-Person ist eine gesunde, erwachsene Person, die täglich rund 1000 kcal/244g Kohlenhydrate, 300 kcal/73g Eiweiss und 600 kcal/64g Fett zu sich nimmt (du siehst hier, dass du die KH und Prot x 4.1 rechnen musst und die Fettgrammatur x 9.3 um auf den Kalorienwert zu kommen). Verteilt auf drei Mahlzeiten, evtl. zwei Zwischenmahlzeiten. Standard-Werte. Keine Paleo, LowCarb oder was auch immer für eine Diät. Das sind die Spitze-des-Eisbergs-Zahlen. Unter der Spitze des Eisbergs kann man die Zahlen nach Gewicht, Grösse und Aktivitätslevel herunterrechnen und ernsthaft, die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross, dass du keine 2000-kcal-Person bist.
Wieviel Energie du tatsächlich täglich brauchst, kannst du z. B. hier berechnen. Dieser Kalorienbedarf ist eine Zahl, die leider auch nicht in Stein gemeisselt ist. Sie ist nicht sakrosankt. Denn der Rechner dahinter sieht dich nicht und kann dir keine präzisen Fragen stellen, um den Bedarf zu ermitteln. Abgesehen davon – wenn man den Blickwinkel mal dreht: Du bist ein Mensch, der normalerweise selber spürt, was der Körper so braucht. Heute brauchst du mehr, morgen weniger. Bekommst du allerdings Schwierigkeiten mit dem Gewicht oder der Gesundheit, helfen dir diese Referenzwerte oder „Rechner“ dabei, dir selbst zu helfen. Da ist nix verkehrt daran. Nix etepetete. Echter Nutzen.
Hack: 100g Zucker enthalten 400 kcal pure Kohlenhydrate. Mehl knapp etwas weniger. 100g Butter oder Öl über 700 kcal pures Fett. Eine Creme Double fast 400 kcal Fett. Nüsse, Kerne & Co. schnell mal 600 kcal – allerdings verteilt auf Fett, Proteine und etwas Kohlenhydrate. Fast alle Süssigkeiten liefern rund 500 kcal pro 100 g. Darum empfiehlt man, nur einen Daumen gross an Süssigkeiten oder eine Handvoll Nüsse… Einpaarmal im Monat macht noch nix, aber täglich übermässig Kalorien reinschaufeln – oder eben nicht – könnte „Nebenwirkungen“ haben.
Rezept: Rechne mal hier, wieviele Kalorien eine Lemon Tarte liefern könnte.
Fazit
Nährwertangaben sind super, um sich bewusst zu werden, was man so isst, wieviele Kalorien welche Nahrungsmittel liefern und um eine bewusstere Kaufentscheidung zu treffen. Du kannst sie zur Kenntnis nehmen. Referenzwerte beziehen sich immer auf die 2000-kcal-Person, möglicherweise hast du einen anderen Kalorienbedarf. Mach dich keineswegs verrückt mit Rechnereien, höre lieber auf deinen Körper, auf das Gefühl satt und zufrieden zu sein. Wenn du schon kalkulieren musst (warum auch immer), dann lass dich lieber von einem Ernährungsprofi beraten! Hier das Adressverzeichnis.
Übrigens, der Nutri- Score, der neuerdings viele Packungen ziert, ist nicht dasselbe wie die Nährwertangeben und ersetzt sie auch nicht. Nutri-Score ist eine ergänzende, farbenfrohe Information zum Gesundheitswert eines verarbeiteten Lebensmittels. Wir sehen auf einen Blick, welches von zwei gleichwertigen Produkten die gesündere Wahl ist – zumindest punkto Energiegehalt.
Wer übrigens gerne Barcodes scannt, ist mit der yuka- oder codecheck-app gut bedient. Nichtsdestotrotz, Öl/Butter, Salz oder Süssigkeiten werden immer schlecht abschneiden, ob bei Nutri-Score oder den Apps – das liegt in der Natur des Lebensmittels. Gesunder Menschenverstand ist gefragt.
Links
Informationen auf der Lebensmitteletikette Information des BLV
Die Definition von kilojoule ist irgendwie noch schwierig zu verstehen, darum können viele die Kalorie noch nicht aufgeben.
Schweizerische Nährwertdatenbank – eine kostenlose Datensammlung des BLV
Infografik zum Food-Facts-Verständnis vom europäischen Informationszentrum für Lebensmittel (EUFIC).
Food Facts Geschichte in den Vereinigten Staaten (Link-Quelle: NCBI, Front-of-Package Nutrition Rating Systems and Symbols: Phase I Report.)
Lulu Hunt Peters Buch: „Diet and Health With Key to the Calories“ zum herunterladen
Bilderbuch für Kalorien-Zählen : Der Kalorien-Bild-Atlas
Nutri-Score: offizielle Mitteilung des BLV
2 Gedanken zu „Darf ich vorstellen: Die 2000 Kalorien Person!“