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Du findest immer wie mehr Proteinpülverchen oder mit Protein angereicherte Produkte in den Verkaufsregalen und auf der anderen Seite liest du, dass wir viel zu viel Protein zu uns nehmen. Auch etwas irritiert? Nehmen wir jetzt zu viel oder zu wenig zu uns? Und warum diese Show um proteinhaltige Produkte?
Hier etwas Klarheit – aber zuerst etwas Theorie… mit Legosteinen als Verständnishilfe.
Wofür ist Protein gut und was macht es in unserem Körper?
Protein, auch Eiweiss genannt, ist zusammen mit Wasser ein lebenswichtiger Baustoff für unseren Körper. Eiweiss erneuert Zellen, die unser Körper verbraucht. Wir tragen Billionen Zellen mit uns, welche in etwa 200 Zelltypen unterteilt werden können. Stammzellen, rote und weisse Blutzellen, Nervenzellen, Haut- und Fettzellen, etc.. Eiweiss befindet sich in Knorpeln, im Bindegewebe (Sehnen z.B.) und in Schleimhäuten. Protein bindet Wasser und transportiert es in die Blutbahn, ebenso die Nährstoffe sowie den Sauerstoff zu den Blutkörperchen und zu den Muskeln. Eiweiss dient dem Aufbau von Enzymen (die Rowdys, die den Nahrungsbrei in Stücke reissen, damit er in die Blutbahn passt) und Hormonen (die Boten, die die Infos transportieren was jetzt wo zu tun ist). Die Enzyme und Hormone sind übrigens die Hauptdarsteller in diesen Stoffwechselvorgängen. Wir sind also ein Monster-Protein-Gebilde.
Vor lauter Konzentration aufs Wort vergisst man gerne, dass proteinhaltige Lebensmittel mit mehr oder weniger Kohlenhydraten und Fetten daherkommen, mit Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen. Aber isolieren wir das Protein wieder, um beim Thema zu bleiben. Wenn ich ein proteinreiches Nahrungsmittel zerkaue und runterschlucke, zersetzen Enzyme den Eiweissbrei im Magen und in bestimmten Darmabschnitten in sogenannte Aminosäuren. Es gibt 20 davon. Nennen wir sie die 20 verschiedenen Legosteine oder Bricks. Aminosäuren sind die Endprodukte der Proteinverdauung, also das, was nach der Verdauung in die Blutbahn gelangt. Damit werden die Zellen „gebaut“. Diese Bauarbeiter erledigen u.a. die Jobs, die ich im vorherigen Absatz beschrieben habe.
Es wird unterschieden zwischen essenziellen und nicht essenziellen Aminosäuren. Die nicht essenziellen Legosteine können vom Körper selbst bereitgestellt werden. Die essenziellen (Valin, Leucin, Isoleucin, Threonin, Methionin, Lysin, Phenylalanin, Histidin und Tryptophan sowie unter gewissen Umständen Arginin, Cystein und Tyrosin) müssen durch die Nahrung zugeführt werden. Ob diese Aminosäuren ihre Aufgabe erfüllen, ist unter anderem abhängig davon, ob sie als Team zu den Zellen gelangen. Fehlt ein einziges essenzielles Teammitglied von den 9, kann dein Körper wahrscheinlich 0g Eiweiss bzw. Baustoff nutzen und das unvollständige Team geht geknickten Hauptes Richtung Verbrennungsanlage! Das nennt sich biologische Wertigkeit. Besonders Gemüse und Früchte, sagt man, enthalten unvollständige Proteine. Werden diese Nahrungsmittel aber clever ergänzt, wie z.B. ein Risibisi oder eine Gemüselasagne, ist das Team wieder komplett und kann wirken. Das ist komplex.
Die nicht wirksamen Aminosäuren können, wie erwähnt, auch zu Brennstoff umgewandelt werden. Der Brennstoff wird normalerweise durch Kohlenhydrate und Fett zugeführt. Hast du zu viel Brennstoff, nimmst du zu – also auch wegen zuviel Eiweiss.
Wie geht das mit den Muckis?
Es scheinen vor allem die Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin, auch unter BCAA (branch chained amino acids) bekannt, verantwortlich dafür zu sein, dass die Muckis wachsen. Man findet sie gerne isoliert in Protein-Shakes bzw. Nahrungsergänzungsmitteln für Sportler*innen. Viele dieser Nahrungsergänzungsmittel basieren auf Milch- oder Sojaprodukten, manche auch auf Haselnüssen. Alle drei Basisprodukte können Allergien auslösen. Müssen aber nicht. Und ohne ausreichende sportliche Betätigung nützen dir die besagten Aminosäuren auch nix. Im Gegenteil. Als Hobbysportler*in kommt man gut ohne sie aus. Hobbysportler*in ist man, wenn man die Sportart nur in der Freizeit ausübt!! Auch wenn es sich für dich anders anfühlt.
Die vielen Namen von Proteinen
Eiweiss, Aminosäuren, Kollagene, Myosine, Kreatin, Actin, Gluten, Albumin, Globuline, Lipoproteine, Glykoproteine… yes. Da gibt es noch einige. Ein Protein besteht, wie erwähnt, aus 20 Aminosäuren, die wiederum aus 100 – 22 000 genetisch fixen Aminosäuresequenzen bestehen. Komplex nicht? Des Weiteren unterscheidet man zwischen wasserlöslichen und wasserunlöslichen Proteinen. Die wasserlöslichen sind z.B. Gluten, das Klebereiweiss aus Backwaren, die Albumine in Milch (Lactalbumine) oder Eiern (Ovoalbumine), etc. Die wasserunlöslichen Proteine kennen wir vor allem aus der Kosmetik-Werbung. Sie heissen Kollagen (wird auch für die Gelatine verwendet), Elastin und Kreatin – für die perfekte, pralle Haut.
Ich will dich aber jetzt nicht langweilen.
In welchen Nahrungsmitteln stecken Proteine?
Eier, Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Pilze, Kartoffeln, Hülsenfrüchte sind die Big Player. Aber auch da gibt es Unterschiede in Bezug auf die oben erwähnte biologische Wertigkeit. „High Protein“-Produkte enthalten oft zusätzliche isolierte pflanzliche Proteine oder Milchproteine. Das muss aber auf der Zutatenliste ausgewiesen werden. Steht nix geschrieben, ist das Lebensmittel von Natur aus proteinreich und der Produzent hat ein gutes Marketing!
Eine hohe biologische Wertigkeit haben Eier (gelten als 100%), Kuhmilch, Rindfleisch, Sojamilch, Kartoffeln und Bohnen. Wenn du deinen Proteinbedarf optimal decken willst, kombinierst du Fleisch, Fisch, Ei, Milch mit Kartoffeln, Getreideprodukten oder Hülsenfrüchten und etwas Gemüse. Ganz einfach eigentlich. So wie du es schon kennst. Wirklich! Schon unsere Vorfahren haben das richtig gemacht ohne je eines dieser Wörter zu kennen.
Proteine tierischer Herkunft bestehen aus, sagen wir es mal der Einfachheit halber, denselben Legosteinen. Darum können wir sie leichter verbauen als solche von pflanzlicher Herkunft. Sojaprodukte wie Edamame und Tofu enthalten ebenfalls alle essentiellen Nährstoffe wie auch Nüsse, Samen und andere Hülsenfrüchte. Nur sind deren Legosteine etwas anders, kürzer, schmäler, weniger hoch. Ergänzt man sie aber mit den anderen passenden Steinchen, kann ein noch höheres Bauwerk entstehen. Auch Gemüse und Früchte verhelfen zu grossen Bauwerken. In der Legosprache ausgedrückt wären das „jumper“, „Platten“ und „Brackets“. Diese Nahrungsmittel enthalten zwar kaum Eiweiss, aber auch wenig Brennstoffe, also Fett und Kohlenhydrate. Sie können aus diesem Grund in grösseren Mengen gegessen werden, machen satt und ergänzen deshalb perfekt die Big Player-Eiweissbausteine!
Alles klar? Wenn nicht, schreibe mir!
Wie viel Protein ist jetzt genug und gesund?
Die DACH-Gesellschaften für Ernährung empfehlen 0,8g Eiweiss pro kg Körpergewicht, was 10 – 15% der Gesamtenergiezufuhr entsprechen sollte. 0,35g Eiweiss pro kg Körpergewicht täglich ist das Mindeste, was wir unserem Körper geben sollten. Bei einer gesunden erwachsenen Person von 70kg schwankt also der Tagesbedarf zwischen 24,5g und 56g Eiweiss. Zwei mittelgrosse Eier enthalten 14g Protein, 30g Greyerzer-Käse 10g, eine 100g Pouletbrust 25g, 100g Weissbrot 9g, Vollkorn 11g (ca. Angaben!).
Gewisse Restaurants bieten Hamburger an mit 200g Pattys. Verdrückst du so viel Fleisch in einer Mahlzeit, hast du ca. 25 – 30g Eiweiss intus. Der Burger Bun liefert weitere 5g und noch ein bis zwei Käsescheiben drauf, die Sauce…
Spitzensportler*innen und Bodybuilder*innen haben andere Bedürfnisse. Die Tagesbedarf-Empfehlung für Menschen ab 65 beträgt 1g pro Kg Körpergewicht… einige reden sogar von 1.2g. Ab dieser Alterskategorie können – müssen aber noch lange nicht – Einkommenssituation, psychische (Möglichkeit und Wille zu kochen) sowie gesundheitliche Verfassung (Kau- und Schluckbeschwerden im höheren Alter) Hürden sein, um die benötigte Menge an Eiweiss zu decken. Fleisch und Fisch ist verhältnismässig teuer, Fleisch schwer zu kauen. Da kommen die mit Proteinen angereicherten Lebensmittel gerade richtig.
Halte mal beim Detailhändler Ausschau nach „High Protein“-Produkten. Wenn du die Nährwerte eines ähnlichen Produktes mit dem eines „High Protein“ vergleichst, meist liegen sie ganz nah nebeneinander im Regal, wirst du sehen, dass da kein besonders grosser Unterschied besteht. Das nennt sich gutes Marketing.
Fazit
Protein ist lebenswichtig, hat viele Gesichter und viele Funktionen. Je nach Grösse, Aktivitätslevel und Lifestyle, ist die Tagesdosis schnell erreicht… oder eben gar nicht. Ist dir das Wurscht, könnten mit der Zeit Nebenwirkungen auftreten (ich mag diesen verlinkten Beitrag!). Bist du unterversorgt, brechen u.a. die Fingernägel, die Haare werden dünner, die Haut wird fahl und die Muskelmasse nimmt ab.
Last but not Least: Lass dich nicht zu sehr durch Texte wie diese verwirren. Dieser Beitrag gibt dir nur einen oberflächlichen Überblick. Wenn du ein konkretes Bedürfnis hast, wende dich an eine diplomierte Fachperson in der Nähe. Sie kann dir auf diesem Gebiet konkrete Handlungsempfehlungen geben!
Ein Gedanke zu „Über Proteine und Legosteine“